Noch keine 30 und schon Chef

21. Juni 2020
TT/Denise Neher
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Die Kombination junger Chef und ältere Mitarbeiter birgt Konfliktpotenzial.  Viele Probleme können junge Chefs vermeiden, wenn sie direkt beim Einstieg die Weichen richtig stellen.

Laut Studien ist der durchschnittliche Chef in Österreich knapp über 50. Allerdings zeigt sich, nicht erst seit Bundeskanzler Sebastian Kurz "Chef" von Österreich ist, immer mehr ein leichter Trend hin zu jungen Führungskräften, bestätigt Führungskräfte-Coach Brigitte Stampfer aus Haiming. Diese Entwicklung zeige sich in vielen Branchen, nicht nur, wie man meinen könnte, in der jungen, aufstrebenden Technologiebranche. "Erstaunlicherweise coache ich in letzter Zeit auch vermehrt junge Führungskräfte in der Produktion", erklärt Stampfer. "Der ist doch viel zu jung für diesen Job", so denken manch alte Hasen über jungen Führungsnachwuchs. Wenn der neue Chef der Sohn oder die Tochter sein könnte, ist es für erfahrene Mitarbeiter oft schwer, Anweisungen entgegenzunehmen.

Das traditionelle Karrieremuster wird ausgehebelt.

Willi Steindl ist Geschäftsführer des Hotels "Sonne" in Kirchberg, einige seiner Mitarbeiter kennen ihn, seit er ein Baby war. "Ich bin daher natürlich für alle ,der Willi?. Unser Umgangston ist sehr freundschaftlich und ich begegne allen Mitarbeitern auf Augenhöhe", erklärt der 27-Jährige. Der frühere Nachwuchs-Rennfahrer bekam die Geschäftsführung 2013, mit erst 20 Jahren, von seinem gesundheitlich angeschlagenen Vater übertragen. Der größte Fehler, den junge Führungskräfte machen können, sei es, nicht authentisch zu sein und den Führungsstil des Vorgängers zu kopieren, erklärt Stampfer.

Ältere Chefs haben häufig einen autoritären Führungsstil, dieser sei nicht mehr gefragt.

"Die moderne Arbeitswelt verlangt nach agiler Führung", erklärt Stampfer. Chefs können nicht mehr die Rolle des einsamen Entscheiders einnehmen. Die Mitarbeiter müssten bestärkt werden, eigenverantwortlich zu arbeiten, ohne Mitbestimmung seien gerade die jungen Angestellten schnell weg, so Stampfer. "Der große Vorteil von jungen Chefs ist, dass sie den agilen Führungsstil oft sehr gut beherrschen, da er ihnen meistens liegt", erklärt Stampfer. Steindl ist der Meinung, dass der Wechsel im Führungsstil wichtig für das Bestehen seines Hotels war: "Mein Vater war ein sehr autoritärer Chef, das war in der Aufbauphase unseres Hotels vermutlich auch notwendig, aber jetzt ginge sein Führungsstil nicht mehr."

Dominik Stadler war 26 Jahre alt und gerade erst mit seinen Universitäts- und FH-Studien fertig, als er von seinem Vater die Geschäftsführung des Happy Fitness in Innsbruck und in Wörgl übertragen bekam. Seinen Führungsstil zu finden, war zunächst eine Herausforderung. "Mein Vater war als Chef autoritär, während ich zu Beginn für meine Mitarbeiter mehr Freund als Chef war. Jetzt habe ich einen guten Mittelweg gefunden", erklärt Stadler. Gerade die Anfangszeit sei für junge Chefs enorm wichtig, meint Stampfer. Da werden die Weichen gestellt. Stadler ist es aufgefallen, dass der ein oder andere Mitarbeiter versucht hat zu schauen, wie viel er sich beim neuen Chef "erlauben" kann. "Es waren dadurch auch kleine personelle Veränderungen nötig, allerdings über einen längeren Zeitraum", so Stadler. Frederic Ancey war 25 Jahre alt und seit 10 Jahren in der Schischule Kirchberg als Skilehrer tätig, als sein langjähriger Chef 2018 die Schischule für einen Job in einem anderen Skigebiet verließ. "Ich hatte als Einziger so gut wie alle erforderlichen Prüfungen, um die Schischule zu leiten und war daher als Nachfolger die logische Konsequenz", erzählt Ancey.

Junge Führungskräfte haben naturgemäß weniger Erfahrungen als langjährige Mitarbeiter und sollten sich diesbezüglich nicht selber unter Druck setzen.

Um zu wissen, ob alle mit ihm als Chef einverstanden sind und seinen Weg mitgehen, hat Aucey mit jedem Einzelnen aus dem 20-köpfigen Kernteam im Vorfeld das Gespräch gesucht. Einige Skilehrer sind schon fast im Pensionsalter, es war Ancey wichtig, auch ihre Meinung zum Führungswechsel zu erfahren. Zu Beginn seiner ersten Saison als Chef gab es nochmal ein großes Meeting, in dem die Zukunft der Schischule besprochen wurde. Ancey ist kein Chef, der gern im Büro sitzt und strenge Anweisungen gibt. "Ich bin viel draußen auf der Piste, mitten unter den anderen Skilehrern. Ich bestärke meine Mitarbeiter, dass sie mit jedem Problem sofort zu mir kommen", erklärt Ancey. Die Buchhaltung liegt dem 27-Jährigen eher wenig, daher ist er froh, dass sich seine Büroangestellten darum kümmern. Delegieren sei wichtig und richtig, bestätigt Stampfer. Junge Führungskräfte haben naturgemäß weniger Erfahrungen als langjährige Mitarbeiter und sollten sich diesbezüglich nicht selber unter Druck setzen. "Junge Chefs sollten auch mal leise sein, zuhören. Die richtigen Fragen stellen und sich nicht zu schade dafür sein, auch wenn man denkt, das müsste man ja eigentlich wissen", rät Stampfer.

Fehler zu machen, gehört zum Neo-Chef-Sein dazu

Davon, dass sie aufgrund ihres jungen Alters besonders auf dem Prüfstand stehen, berichten Steindl, Stadler und Ancey übereinstimmend. "Am Anfang wurde ich von den erfahrenen Mitarbeitern natürlich kritisch beäugt. Das muss man aushalten und sich beweisen", erklärt Stadler. Steindl fügt hinzu: "Man steht als junger Chef innerhalb, aber auch außerhalb des Betriebs unter besonderer Beobachtung und muss sich den Respekt erarbeiten."

Fehler zu machen, gehört zum Neo-Chef-Sein dazu, erklärt Stampfer, wichtig sei nur das Wiederaufstehen und Lernen aus Fehlschlägen. "Zur Führungskraft wird man nicht geboren, man wird sie ,on the job?", erklärt Stampfer. Gerade zu Beginn sei es wichtig, nicht gleich alles ganz anders machen zu wollen und sich das Wissen der Mitarbeiter aller Altersgruppen zu holen. Auch wenn frische Ideen, Innovationsfreude und Risikobereitschaft häufig die großen Vorteile junger Chefs sind, rät Steindl, zunächst nicht zu viel Risiko zu nehmen, sondern vor allem in finanziellen Dingen bedächtig vorzugehen. Gutes Führen sei keine Frage des Alters, meint Stampfer. Früher war der Chef derjenige mit der meisten Fachkompetenz, inzwischen gehe es aber vermehrt um anderes, etwa Digitalkompetenz oder Sozialkompetenz. Laut Studien seien generell die wichtigsten Fähigkeiten von erfolgreichen Chefs Kommunikationsstärke, Offenheit für Veränderungen und wertschätzender Umgang mit Mitarbeitern, so Stampfer.

Noch keine 30 und schon Chef

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